Gerade nach dem Schulabschluss oder an persönlichen Wendepunkten verspüren viele Jugendliche den Wunsch, zur Wandlung der Gesellschaft beizutragen und ihre eigene Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Für sie bietet das „Zeit des Dienstes“-Programm die Möglichkeit, mit ganz besonderer Intensität im Rahmen der Aktivitäten und Bestrebungen der Bahá’í-Gemeinde über individuelle und kollektive Transformation zu lernen. Für ein paar Monate oder sogar ein bis zwei Jahre ziehen die Freiwilligen an verschiedene Orte in ganz Deutschland, wo bereits ein wachsendes Team begonnen hat, sich für die geistige und materielle Entwicklung seiner Umgebung einzusetzen. Über die Jahre hinweg hat sich ein Programm etabliert, das eine selbstständige Einbindung der Jugendlichen in die lokalen Tätigkeiten unterstützt, eine Begleitung durch geschulte Mentoren und Mentorinnen vor Ort ermöglicht und das persönliche Lernen durch diverse Seminare auf nationaler Ebene kanalisiert. Seit Ende 2022 hat das Jahr des Dienstes in Deutschland offiziell den Status eines Freiwilligen Sozialen Jahres.
LANGENHAIN, Hessen. Im Jahr 2023/2024 haben in Deutschland 27 Jugendliche in acht verschiedenen Städten eine Zeit des Dienstes absolviert. Dabei haben sie tatkräftig den Entwicklungsprozess vor Ort unterstützt, enge Freundschaften geknüpft und neue Einsichten und Perspektiven aufs Leben gewonnen. Sie haben Herausforderungen durch die Unterstützung Gleichgesinnter bewältigt und prägende Impulse, Klarheit und Mut für die weitere Zeit erhalten. Zum Ende des Programms hin sind die Freiwilligen im Juni/Juli 2024 am Bahá’í-Haus der Andacht in Langenhain zusammengekommen und haben ihre Erfahrungen und ihr Lernen reflektiert.
Veränderungen vor Ort bewirken
Neysan ist für acht Monate nach Hofheim gegangen und hat dort während seiner Zeit des Dienstes eine Jugendbewegung mit aufgebaut. Er beschreibt die Entwicklung des Prozesses als eine Antwort auf ein lokales Bedürfnis: „Die [Bewegung] ist durch unsere Kinder-Feriencamps entstanden. Denn wir brauchten sehr viele neue Jugendliche als Betreuer und auch generell, um uns auszuhelfen.“ Durch Kontakte aus der Schule und den Einsatz von sozialen Medien konnte das Team viele Jugendliche erreichen, die dann bei den Camps geholfen haben. Einige sind auch weiterhin aktiv geblieben und haben wiederum ihre Freunde eingeladen, bei Aktivitäten wie Jugend-Andachten oder Kinderklassen dabei zu sein. „Diese Gemeinschaft von Jugendlichen ist so stark momentan, dass es wirklich sehr motivierend ist“, berichtet Neysan.
Ein Highlight für Nima, der sein Jahr des Dienstes in Gauangelloch und Mannheim verbracht hat, waren die Freundschaften, die er aufbauen konnte: „Wenn man gemeinsam in eine Richtung wächst, ist das richtig schön und stärkt die Freundschaft auf einer ganz besonderen, tiefen Ebene.“ Auch Mary nimmt aus ihrem Jahr des Dienstes in Hofheim „tiefgehende Freundschaften“ mit. Mit Blick in die Zukunft meint sie: „Das sind Freundschaften, die man fürs Leben geschlossen hat.“
Persönliche Transformation
Das gemeinsame Dienen in einer Nachbarschaft bietet über den gemeinschaftlichen Aspekt hinaus auch eine Arena des individuellen Lernens. Fragen zum eigenen Glauben, zu Motivation und Freude, zum Sinn und Fokus im Leben oder zum Umgang mit Schwierigkeiten ließen sich für die Jugendlichen durch praktische Erfahrungen ergründen. So hat Maria in ihrem Jahr des Dienstes in Potsdam reflektiert, dass man „wahre Freude“ nicht aus dem Materiellen schöpft. „Unsere Freude ist geistiger Natur. Sie kommt aus Sachen wie dem Lernen oder dem Dienst, Kinderklassen oder Juniorjugendgruppen“, erklärt sie. Auch Martina, die für ihr Jahr des Dienstes nach Köln gezogen ist, hat sich mit persönlichen Fragen auseinandergesetzt. Dabei hat sich der Fokus, den sie in ihrem Leben setzen möchte, verdeutlicht: „Mein Jahr des Dienstes hat mir auch die Möglichkeit gegeben, mich besser zu verstehen und hat einen neuen Sinn in mein Leben gebracht, wo der Dienst im Mittelpunkt steht.“
Sowohl im praktischen Freiwilligendienst als auch im individuellen Lernprozess kamen natürlicherweise Herausforderungen auf. Dabei ist man aber durch die Arbeit im Team nicht auf sich allein gestellt. Das war für Anahita, die für 18 Monate eine Zeit des Dienstes in Hofheim absolviert hat, eine prägende Erfahrung: „…einfach der Gedanke, dass ich unterstützt werde, dass ich ein Team habe, das mit mir gemeinsam arbeitet und mich unterstützen und begleiten kann!“
Leben des Dienstes
„Das Jahr des Dienstes ist nicht wirklich etwas, was anfängt und dann irgendwann zu Ende geht, sondern es ist etwas, was anfängt und sich dann durch das ganze weitere Leben fortsetzt“, stellt Lasse klar. Nach seinem Jahr des Dienstes in Gauangelloch und Mannheim plant er zu studieren. Dabei hat Lasse sich das Ziel gesetzt, „diese ganzen Eigenschaften und diese ganze geistige Komponente“ in sein anstehendes Studium einzubringen. Nora ist nach ihrer Zeit des Dienstes in Essen wieder in ihre Heimatstadt zurückgekehrt. Die Auswirkungen der Zeit des Dienstes waren für sie bereits sichtbar: „Es hat mir so viel Mut gemacht, das [Gelernte] auch zu Hause in meiner eigenen Realität anzuwenden und da auch jetzt mehr über meine Erfahrungen zu sprechen.“ Auch die anderen Jugendlichen berichten, dass sie „diese Energie und diese Haltung“ aus der Zeit des Dienstes für das gesamte Leben mitnehmen wollen und dass nächste Schritte im Leben „sehr viel klarer“ geworden sind.
Ende 2020 sind die beiden Jugendlichen Nora und Simon für eine Zeit des Dienstes nach Köln gezogen. Wie ihr Alltag, ihre Aufgaben und ihre Arbeit im Team dabei aussahen, haben sie im Gespräch mit Bahá’í vor Ort erzählt. Den Artikel dazu finden Sie hier. Bei Rückfragen zum „Zeit des Dienstes“-Programm schreiben Sie gerne eine E-Mail an Zeit-des-Dienstes@bahai.de.