‚Explodierende Edelsteine‘ gestalten die Nachbarschaft
In den Bahá’í-Schriften steht, dass die Zeit des Übergangs vom Kind zum Erwachsenen besonders viel Potential birgt. Deshalb werden weltweit Juniorjugendgruppen für Zwölf- bis Fünfzehnjährige angeboten, in denen sogenannte Juniorjugendliche / Junioren sich über spannende Themen austauschen und überlegen, wie sie einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten können. Dabei werden sie von Animatoren unterstützt, ihre geistigen Eigenschaften weiterzuentwickeln. Auch in Egelsbach entstand vor einem Jahr eine Juniorjugendgruppe, welche inzwischen den Charakter der Nachbarschaft prägt und der Bahá’í-Gemeinde Zuversicht schenkt. Die Animatorinnen Anke und Maryam erzählen von einem inspirierenden Weg voller Möglichkeiten und Bestätigungen.
Hinweis: Die auf den Fotos zu sehenden Veranstaltungen fanden unter den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften statt.
EGELSBACH, Deutschland. Vor zwei Jahren feierte Lina ihren elften Geburtstag. Sie war nun kein Kind mehr, sondern fast Juniorin. In der Bahá’í-Gemeinde Egelsbach gab es zwar Angebote für Kinder und ältere Juniorjugendliche, aber keine Gruppe in Linas Altersstufe. Deshalb beschloss sie, gemeinsam mit den Animatorinnen Anke und Maryam eine neue Gruppe zu gründen. Schon bald hatten sich vier Mädchen im gleichen Alter als „explodierende Edelsteine„ zusammengefunden und fingen an, das Thema Bestätigung anhand von Geschichten und Zitaten zu besprechen. Sechs Monate später musste die Gruppe aufgrund der Kontaktbeschränkungen auf die Online-Plattform Zoom ausweichen, was für einige Teilnehmerinnen eine Herausforderung darstellte. Auch als im Mai einzelne Treffen im Garten stattfanden, nahmen immer weniger Freundinnen teil, bis nur noch Lina und die Animatorinnen kamen. „Wir waren sehr traurig„, erzählt Anke. Doch das Team gab nicht auf: „Wir haben es an Gott übergeben.„
Jede suchte sich ein Gebet aus und wollte es jeden Tag für die ‚explodierenden Edelsteine‘ beten. Anke und Lina spazierten durch den Wald und verabschiedeten sich dann. Auf dem Weg nach Hause traf Anke vier Mädchen in der Nachbarschaft, erzählte ihnen von der Juniorjugendgruppe, zeigte Fotos und fragte: „Wollt ihr auch mitmachen?“ Die Mädchen waren begeistert und gaben Anke auch gleich die Handynummern ihrer Eltern, um nach deren Einverständnis zu fragen. „Irgendetwas hat mir gesagt, dass ich da gleich persönlich hingehen und diesen Moment nutzen muss„, erinnert sich Anke. Da die Eltern der Mädchen Linas Familie kannten, gaben alle schnell ihr Einverständnis.
Gleich am nächsten Tag besuchte Maryam die neuen „Edelsteine“, um sie kennenzulernen. In der folgenden Woche fand das erste Gruppentreffen im Freien statt: Es wurde über mögliche Dienstprojekte beraten und wenige Minuten später begaben sich die Mädels mit Handschuhen und Säcken bewaffnet zum Müllsammeln. Diesem Projekt folgten weitere. Besonders beeindruckend findet Maryam dabei die Reflexionsfähigkeit der Mädchen: „Wir haben von Anfang an über ganz konkrete Dinge reflektiert.“
Juniortage in Egelsbach
Die Gruppe war von Begeisterung und Dynamik erfüllt, sodass sich gleich alle zu einem Camp in Offenbach anmeldeten, bei dem viele Juniorjugendliche aus der Region eingeladen waren. Später stellte sich heraus, dass eine Teilnahme doch nicht für alle möglich war. Spontan entschieden sich die Animatorinnen, Juniorjugendtage in der Nachbarschaft anzubieten, an denen alle Mitglieder Zeit haben würden. Die Eltern wurden sowohl in der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe als auch persönlich über die Planungen informiert und erklärten sich bereit, zu unterstützen. Maryam war begeistert: „Es war wie ein Dominoeffekt.“ Nachdem sich die Gruppe am ersten Tag im Garten einer Familie traf, bot die nächste Familie an, am zweiten Tag ihr Haus zur Verfügung zu stellen. Da die Häuser der Familien alle in einer Straße stehen, verbreiteten die Juniorjugendtage direkt vom Herzen der Nachbarschaft aus ihren guten Duft – im wahrsten Sinne des Wortes.
Nach Kennenlernspielen und dem Aufstellen der Gruppenregeln, bastelten die Juniorinnen Lavendelsäckchen mit der Aufschrift „Von den Junioren ein guter Duft„, die in der Nachbarschaft verteilt wurden. Das Projekt schenkte vielen Nachbarn Hoffnung. Sogar in der Facebook-Gruppe „Unser Egelsbach“ machte die Aktion der Juniorjugendlichen ihre Runde und aus anderen Teilen der Kleinstadt wurde der Wunsch laut, ebenfalls eine solche Gruppe zu gründen. Es folgten weitere kreative Dienste, wie ein Video zum Thema Freundlichkeit und eine Mind Map, auf der die Jujus sammelten, was sie in Egelsbach beitragen wollen. Von den Ideen entflammt, bereitete sich die Gruppe darauf vor, eine daraus erarbeitete Fotoleinwand in der Bürgersprechstunde vorzustellen. Gemeinsam präsentierten sie ihre Ziele und Gedanken dann ein paar Wochen später dem Bürgermeister. Die Animatorinnen können sich gut an die erfreute Reaktion erinnern: „Er hat sogar zugesagt, dass er Mal bei so einem Dienstprojekt mithilft.„
Jeder möchte beitragen
Doch auch in Egelsbach kam der zweite Lockdown und die Gruppe musste auf Zoom ausweichen. Schnell bemerkten Maryam und Anke, dass die Juniorinnen nach dem Online-Schulunterricht nicht noch länger vor dem Bildschirm sitzen wollten. Die Gruppe wurde kreativ, musizierte gemeinsam, spielte und backte – in einem Zoom-Meeting. Doch auch das Engagement in der Nachbarschaft blieb bestehen: Zur Adventszeit ließen die explodierenden Edelsteine eine Laterne der Hoffnung von Haus zu Haus wandern, in die jeder Haushalt etwas Ermutigendes schreiben konnte und bereits zwei Mal luden sie zum Kammereck Online-Konzert ein, einem Musik-Abend bei dem jeder Nachbar etwas auf seinem Instrument beitragen konnte. Die Gruppe ist zuversichtlich: „Es werden immer Türen offen sein. Man muss sie nur sehen und die Chancen ergreifen.„
Auch in Ihrer Nähe gibt es die Möglichkeit, an Juniorjugendgruppen teilzunehmen oder diese mitzugestalten. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.